Newsletter 10/2019
Energie im Quartier
Liebe Leserinnen und Leser,
Die Bevölkerung Berlins wächst seit 2005. Mittlerweile leben fast 3,8 Millionen Menschen in der Stadt und bezahlbarer Wohnraum – oder vielmehr dessen Knappheit – sind zu einem emotional diskutierten Thema geworden. Nicht zuletzt hat dies die Diskussion um den Mietendeckel noch einmal verdeutlicht. In diesem Umstand sind Energieeffizienz und Sanierungsvorhaben für Mieter*innen in Berlin eher rotes Tuch als willkommene Komfortsteigerung geworden. Die Furcht vor Kündigung und damit Verdrängung aus dem eigenen Quartier schwingt hier oftmals mit.
Einen möglichst klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen und gleichzeitig noch bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, gehört zu den aktuell größten Herausforderungen für Wohnungsbau in Berlin. Die vielen kleinen Berlins – Kieze und Quartiere – zeigen oftmals, wie sich diese Ziele miteinander vereinbaren lassen. Ein Beispiel dafür ist auch unser Projekt des Monats in Lichtenberg.
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Michael Scheuermann, Robert Volkhausen
Kieze und Quartiere
„Der Kiez ist heute überall“ schreibt der Tagesspiegel und gibt einen Überblick über die heutige Popularität des Begriffs. Außerhalb Berlins spricht man eher vom „Quartier“. Es beschreibt den Raum in dem für die jeweiligen Menschen verschiedene Funktionen der Versorgung, des Aufenthalts und der Fortbewegung vorhanden sind. Quartiere und Kieze werden durch diese sozialen Kontakte sowie durch räumliche bzw. bauliche Gegebenheiten für die jeweiligen Menschen abgegrenzt und damit immer etwas unscharf an ihren Rändern – also sinngemäß: „Das Quartier ist heute überall“.
Projekt des Monats: CO2-neutrales Quartier der HOWOGE
Auf einem rund 5.400 Quadratmeter großen Areal an der Lichtenberger Sewanstraße ist eines der wenigen Quartiere entstanden, die die Klimaschutzziele der Bundesregierung bereits heute übererfüllen und gleichzeitig sozialen Wohnraum bieten. So werden 50 Prozent der Wohnungen gefördert zu Einstiegsmieten ab 6,50 Euro pro Quadratmeter vermietet. Für die übrigen Einheiten liegt der Quadratmeterpreis im Schnitt unter 10 Euro.
Mit einem ganzheitlichen Energiekonzept weisen die KFW-40-Plus-Energieeffizienzhäuser sogar eine negative CO2-Blianz auf und die 402 Solarmodule auf dem Dach der beiden Achtgeschosser stellen günstigen Mieterstrom für die Bewohner*innen her!
Service, Beratung und Forschung
Als wichtiger Ansatzpunkt im Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm 2030 (BEK 2030) werden Quartiersansätze für das Ausnutzen von Synergieeffekten und Effizienzpotentialen hervorgehoben. Und inzwischen sind mehrere ganz individuelle Projekte auf die Landkarte der Bundeshauptstadt gekommen.
Servicestelle für energetische Quartiersentwicklung
Die Entwicklung von energetischen Quartiersstrategien ist in der Regel ein komplexer und fachübergreifender Prozess. Damit dies gelingt, wurde mit Mitteln aus dem Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm 2030 (BEK 2030) die Servicestelle für energetische Quartiersentwicklung eingerichtet. Sie soll die wichtigen Akteure zusammenbringen, Zielsetzungen und Handlungsschwerpunkte analysieren und bei der Umsetzung beratend zur Seite stehen. Zudem möchte die Servicestelle als kostenfreier und neutraler Anlaufpunkt für alle Akteure in den jeweiligen Quartieren fungieren.
Vernetzte Energie im Quartier
Die Technologiestiftung Berlin hat in ihrem Projekt „Vernetze Energie im Quartier“ Energieinfrastrukturen auf Quartiersebene untersucht: Es geht um eine Verkürzung der Transportwege und das Fördern von „Prosumern“, welche Energie lokal produzieren, die im direkten Umfeld auch wieder verbraucht wird. Wichtige Werkzeuge für Verteilung und letztlich auch Wirtschaftlichkeit sind smarte und digitale Tools für Abrechnung und Lastmanagement.
WindNODE Modellregion – Quartiere im Prenzlauer Berg und in Schöneberg
In zwei Berliner Quartieren erprobt das Borderstep Institut zusammen mit Dr. Riedel Automatisierungstechnik und dem DAI-Labor der TU Berlin, wie aus verschiedenen Kombinationen von Energieerzeugung und Speicherung in Wohngebäuden flexiblere, stromgeführte Betriebsweisen von Wohnquartieren erreicht werden können. Das Projekt wurde im Jahre 2017 begonnen und inzwischen sind mehrere begleitende Evaluationen und Forschungsberichte publiziert worden.
Energieberatung in Quartieren – zuHaus in Berlin
In zwölf ausgewählten Pilot-Quartieren bietet die Verbraucherzentrale Berlin anbieterunabhängige und kostenfreie Energieberatung für Eigentümer*innen an. Das Projekt „zuHaus in Berlin“ entstand in Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz und wird von den fünf beteiligten Bezirken unterstützt. Wichtige weitere Bausteine sind das Einbinden von lokalen Akteuren, Infoveranstaltungen sowie Kiezgespräche.
Studien und Publikationen zum Thema
- Studie zur „Quartiersbezogenen Energiekonzepte und -bilanzen“ von SenStadtUm (2012)
- „Energie im Quartier“ – Zeitschrift IzR des BBSR (2017)
- Investitionspaket soziale Integration im Quartier des BMI (2017)
- BBSR-Forschungsprojekt zur Transformation von Gewerbegebieten mit der TU Berlin (2019)
- dena-Seite zu Energie und Quartieren
- Themenseite „Quartier und Stadt“ der Begleitforschung ENERGIEWENDEBAUEN
- Homepage der Energetischen Stadtsanierung
- KfW Zuschuss 432: Energetische Stadtsanierung – Quartierskonzepte und Sanierungsmanager
Veranstaltungen zum Schwerpunkt
IBA Konferenz
ExWoSt-Forschungsprojekts IBA im Wandel
Internationale Bauausstellungen rücken seit mehr als einem Jahrhundert die aktuellen Fragen des Planens und Bauens in den Fokus der nationalen und internationalen Diskussion. IBA stehen für einen hohen Anspruch: Sie sind Experimentierfeld der Stadt- und Regionalentwicklung und Markenzeichen nationaler Bau- und Planungskultur. Worin liegt die Kraft des Formats? Wie kann sich das Versprechen IBA für Innovation stets erneuern?...
14./15.11.2019
Programm und Anmeldung
Kolloquium zur Stadtforschung
Deutsches Institut für Urbanistik difu
Ausgehend von den öffentlich-rechtlichen Anforderungen der EnEV und dem EEWärmeG und einer demgegenüber sachgerechteren energetischen Analyse des Bestandgebäudes liefert das Seminar einen Überblick über die planerischen Aufgabenstellungen...
19.11.2019
Programm und Anmeldung
Bundeskongress Mehr Quartier für alle – 20 Jahre Soziale Stadt
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung BBSR
Das Städtebauförderprogramm “Soziale Stadt” feiert im Jahr 2019 sein 20-jähriges Jubiläum. Von 1999 bis heute wurden über 500 Städte und Gemeinden in das Bund-Länder-Programm aufgenommen, insgesamt wurden mehr als 900 Gesamtmaßnahmen gefördert – eine Erfolgsgeschichte für die Quartiersentwicklung...
26.11.2019
Programm und Anmeldung
Pt.Konferenz 2019
Pt. Planungstheorie und Stadtentwicklung & RWTH Aachen
Pt.Konferenz zum Thema Große Quartiere richtet den Blick auf wissenschaftliche Konzepte und Praxiserfahrungen, um Stadt wieder im großen Maßstab zu planen. Zahlreiche Städte in Deutschland erhalten Zulauf. Beständig wachsende Städte erfahren einen regelrechten Wachstumsdruck und einstschrumpfende Städte verzeichnen eine Trendumkehr:..
3.12.2019 (in Aachen)
Programm und Anmeldung
Themenverwandte Projekte
Kieze, Geburtstage und diese Berliner Feierei
1987 feiert das geteilte Berlin seinen 750. Geburtstag. Nicht alle sahen die Festlichkeiten mit Wohlwollen und wetterten gegen eine regelrechte Feierkonkurrenz. Im Zuge des Jubiläums wurde neben dem Nikolaiviertel am Alexanderplatz auch die Altbauviertel um die Husemannstraße im Prenzlauer Berg aufgewertet und saniert. Letztere erhielten in der DDR auch offiziell wieder die Bezeichnung "Kieze". Die Gegend liegt interessanterweise nur einen Steinwurf von der Hosemannstraße des aktuell laufenden WindNODE-Projekts entfernt.
Und West-Berlin? Dort wurde ebenfalls von Stadterneuerung gesprochen. Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung IBA 1984/87 wurde zum Geburtstag eine sogenannte umfassende "Stadtreparatur" durchgeführt. In sechs Demonstrationsgebieten West-Berlins wurden Alt- und Neubauquartiere entwickelt und gebaut. Unter anderem mit dabei: Sechs Energiesparhäuser am Landwehrkanal.